Mit dem Einsatz von Fotofallen wird seit 2007 ein neuer Weg im Luchsmonitoring
in Bayern beschritten.
Fotofallen ermöglichen eine Erfassung des Luchsbestands in aktiver und systematischer Weise. Die damit gewonnenen Daten sind verlässlicher als zufällig gesammelte Daten. Daher können sie ein genaueres Bild vom Zustand der Population liefern und tragen so zu einer deutlichen Verbesserung des Luchsmonitorings bei.
Identifikation der Luchse
Jeder Luchs hat ein charakteristisches Fleckenmuster. Anordnung, Größe, Aussehen und Anzahl der Flecken sind bei jedem Luchs individuell verschieden. Dies ermöglicht die Unterscheidung einzelner Tiere und ebnet den Weg für eine quantitative Populationsschätzung mittels der Fang-Wiederfang-Methode.
Zwei Luchsindividuen können aber nur durch den Vergleich derselben Körperseite unterschieden werden. Daher wird versucht, das Tier mit seiner gesamten Körperflanke zu fotografieren und im besten Fall auch von beiden Seiten, was die Installation zweier gegenüberliegender Fotofallen voraussetzt. Beidseitige Fotos erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen Luchs bei einem späteren Fotofallenfang identifizieren zu können.
Hier ein Beispiel für den Vergleich des Fleckenmusters: Form und Anordnung der Flecken sind bei beiden abgebildeten Luchsen gleich. Die rot umkreisten Stellen sind besonders gut vergleichbar. Es handelt sich hier also um dasselbe Tier.
Fotofallen-Standorte
Der Auswahl geeigneter Fotofallen-Standorte kommt eine große Bedeutung im Fotofallenmonitoring zu. Sie setzt profunde Kenntnis der Lebensweise des Luchses und viel Erfahrung im Freiland voraus, vor allem durch Methoden wie Abspuren oder Radiotelemetrie.
Spurenfunde in den vergangenen Wintern und
lokale Kenntnisse von Jägern sind zusätzliche Hilfen, um einen Ort zu finden, an dem vielleicht ein Luchs vorbeispazieren könnte.
Dennoch bleibt es eine Herausforderung in einer mittelgebirgsartigen Region geeignete "luchswahrscheinliche" Standorte festzulegen, da im Gegensatz zu den Alpen die Geländestruktur des Bayerischen Waldes den Luchs nicht auf bestimmte Wege (Zwangswechsel) kanalisiert.
Deterministischer Fotofalleneinsatz
Deterministisches Fotofallenmonitoring bedeutet einen intensiven, räumlich und zeitlich koordinierten Einsatz einer bestimmten Anzahl von Fotofallen in einem ausreichend großen Gebiet. Für Beutegreifer, die generell in niedrigen Dichten vorkommen, sollte das Untersuchungsgebiet mindestens 500-750 Quadratkilometer groß sein. Bei hinreichend evaluierten Fotofallenstandorten genügen in der Regel 70 Tage, an denen die Fotofallen simultan an allen Standorten gestellt sind, um die anwesenden Luchse zu erfassen. Die Fotofallen werden möglichst gleichmäßig über das Untersuchungsgebiet verteilt, welches alle Habitatstrukturen in repräsentativer Weise enthalten sollte.
Bisher wurden fünf solche intensiven Fotofalleneinsätze im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umwelt durchgefüht. Der erste Fotofalleneinsatz erfolgte im Dezember 2007. Die Fotofallen standen an insgesamt 40 Standorten im inneren und vorderen Bayerischen Wald auf einer Fläche von rund 430 Quadratkilometern.
Ziel war die Durchführbarkeit und Erfolgsrate dieser Methode in der mittelgebirgsartigen Landschaft des Bayerischen Waldes zu ermitteln. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Entwicklung einer einfachen methodischen Übertragbarkeit des Fotofallenmonitorings auf andere Gebiete in Bayern, ohne dass spezifische Ortskenntnisse für die Auswahl der Fotofallenstandorte notwendig wären.
Im Januar 2009 begann der zweite intensive Einsatz. Nun wurden 90 Fotofallen an 45 Standorten auf einer Fläche von rund 820 Quadratkilometern aufgestellt. Das Untersuchungsgebiet umfasste jetzt auch die Höhenzüge des mittleren Bayerischen Waldes zwischen Viechtach und Regen. Im Oktober 2009 startete der dritte intensive Einsatz. Dabei wurden bis März 2010 55 Standorte auf einer Fläche von rund 800 Quadratkilometern getestet. Das Untersuchungsgebiet umfasste die ähnliche Fläche wie im zweiten Durchgang. Der vierte und fünfte Intensiveinsatz lief von September bis Dezember 2010 bzw. September bis Dezember 2012. Nun wurden auf dem wieder rund 800 Quadratkilometer großen Untersuchungsgebiet zwischen Lamer Winkel und Deggendorf 64 bzw. 43 Standorte mit Fotofallen bestückt.
Zwischen 2013-2015 und 2017-2020 fanden die bisher großräumigsten Fotofalleneinsätze im Rahmen der grenzüberschreitenden Projekte Trans-Lynx und 3Lynx statt. Das Untersuchungsgebiet wurde auf rund 3.000 Quadratkilometer ausgedehnt und umfasste große Teile des Bayerischen Waldes, des Oberpfälzer Waldes sowie des Fichtelgebirges. Insgesamt waren zwischen 75 und 100 Fotofallenstandorte installiert, also weitaus extensiver als die zuvor durchgeführten Intensiveinsätze. Während Intensiveinsätze der Dichteschätzung und der Ermittlung von Bestandstrends dienen, sollen die Extensiveinsätze das dauerhaufte Vorkommen des Luchses in Bayern besser abgrenzen helfen. Ein zeitlich ausgedehnter und großräumiger Einsatz kann zudem weitere Populationsparameter erheben: räumliche Nutzung, Territoriumsgrößen,
Reproduktion oder Abwanderungsdistanzen von Jungluchsen. Ebenso möglich
ist die Feststellung der räumlichen Veränderung (Ausbreitung, Schrumpfung) einer
Population. Am allerwichtigsten ist jedoch die Feststellung der Veränderung innerhalb der Populationsstruktur und betrifft vor allem den nachweisbaren 'Turnover' residenter Luchse im bayerischen Vorkommensgebiet. Damit ist eine ungewöhnlich schnelle Abfolge von residenten Tieren im selben Gebiet gemeint.
Aus diesen Gründen wird das Fotofallenmonitoring seit 2013 extensiv weitergeführt. Dies soll ermöglichen, den Werdegang territorialer Luchse weiterhin zu verfolgen,
reproduzierende Luchsweibchen festzustellen und ihren Nachwuchs zu dokumentieren.
Opportunistischer Fotofalleneinsatz
Ergänzende Daten lassen sich durch das Stellen der Fotofallen an vom Luchs gerissenen Beutetieren sowie an vermuteten Luchswechseln sammeln.
Der Einsatz an potentiellen Luchsrissen setzt voraus, dass vom Luchs gerissene Beutetiere rechtzeitig gemeldet werden, so dass eine Fotofalle gestellt werden kann. Hierfür ist die Zusammenarbeit mit Interessierten in der lokalen Bevölkerung (v. a. Jäger, Förster, Naturfreunde) notwendig.
Die opportunistische Methode bleibt grundsätzlich von zufälligen Gelegenheiten abhängig und ist damit kaum in der Lage alle Luchse in einem Gebiet zu erfassen. Sie kann aber für einzelne Luchse Abwanderungsdistanzen, räumliche Nutzung oder Reproduktion dokumentieren.
Veränderungen
Die Ergebnisse der seit 2007 laufenden deterministischen und opportunistischen Fotofalleneinsätze zeigen die Veränderungen in der Luchspopulation auf, die durch die Zu-/Ab-/Durchwanderung von Subadulten bzw. die Geburt und den Verlust von Tieren entstehen. Insbesondere wenn Luchsmännchen ihre Territorien verschieben (die Radiotelemetriedaten von 2003 belegen dies erstmals) oder neue Luchse einwandern und sich sesshaft machen, ist das auf den Verlust des vorherigen Territoriumbesitzers zurückzuführen.
Bisher sind über 3800 Fotos gelungen. Sie stammen von 344 Individuen,
die nachweislich zwischen 2007 und 2020 geboren wurden. Die Anzahl der territorialen Luchse
im Bayerischen Wald pendelte zunächst um die 10-15 Tiere. Erst seit dem Jahr 2016 hat sich diese Zahl auf 15-20 territoriale Tiere erhöht,
im Jahr 2021 schließlich auf 30-35 Tiere. Der Verbleib der Mehrzahl der Luchse ist unbekannt; dabei handelt es sich meistens um subadulte Durchwanderer, die auf der Suche nach einem eigenen Revier die Territorien der erwachsenen Luchse eine Zeitlang durchstreifen und dabei von den Fotofallen erfasst werden.
Wohin diese subadulten Luchse abwandern, ob und wo sie sich sesshaft machen können und wie sie damit zur Ausbreitung der Luchspopulation in Bayern beitragen, bleibt die spannendste Frage für zukünftige Erhebungen. Je längerfristig und großräumiger der Fotofalleneinsatz dabei durchgeführt wird, desto besser lässt sich schließlich Alter, Geschlecht und Verbleib (territorial, abwandernd, Reviersuche) der Luchse aufklären.
Fotografierte Luchse
Die folgenden Bilder stellen eine kleine Auswahl der bisher fotografierten Luchse dar. Seitdem sind viele weitere Luchse fotografiert worden. Durch den langfristigen und relativ kontinuierlichen Ansatz der Datensammlung können wichtige demographische Populationsparameter (z. B. Alter, Geschlecht, Geburtenrate, Sterberate, Herkunft, Verwandschaft) erhoben werden.
Jeder fotografierte Luchs erhält einen alphanumerischen Code, der sich aus dem Buchstaben für die Flankenseite sowie einer fortlaufenden Ziffer zusammensetzt.
Die Buchstaben stehen dabei für:
R = nur die rechte Flanke ist bekannt,
L = nur linke Flanke ist bekannt,
B = beide Flanken sind bekannt,
U = unidentifizierbares Tier, weil Bildqualität zu schlecht oder die Position des Tieres keine Identifikation des Fleckenmusters erlaubt.
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R1 - fotografiert am 29.12.2007 auf einem Wanderweg nordwestlich von Zwiesel.
Dieses Tier markiert den Beginn des
deterministischen Fotofallenmonitorings in Bayern. |
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B13, genannt Felis, eine Luchskatze, die von Mai 2009
bis Juli 2013 immer wieder im Gebiet zwischen Bayerisch-Eisenstein und Bodenmais erfasst wurde.
Hier ist sie mit ihren beiden Jungen fotografiert worden. |
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B9, genannt Nimo, ein Luchskater, der auf bayerischer und tschechischer Seite unterwegs
war. Zuletzt im November 2013 erfasst. |
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B21 - mit ihrem Jungtier im September 2012. Sie
wurde erstmals im Oktober 2011 im Lamer Winkel erfasst. |